Biochemikalien-Lexikon C

L-Carnitin

Nat. Vorkommen: Der Stoff, eine quartäre Ammoniumverbindung, ist ein natürlicher Bestandteil der Muskulatur von Säugetieren, also auch der des Menschen. Dabei weisen die Herz- und Skelettmuskulatur relativ gesehen den höchsten L-Carnitingehalt auf. Es wird in den Organen Leber und Nieren aus den Aminosäuren L-Lysin und L-Methionin zusammengesetzt. Dabei sind auch die Vitamine B6, Niacin und C sowie Eisen beteiligt. Auch in der Archenmuschel (lat. Arca noe), in Molke und in Meeresbewohnern wie Tintenfischen oder Sardinen kommt der Stoff vor. Obwohl es auch als Vitamin BT bezeichnet wird, gehört L-Carnitin - wie auch z.B. das Coenzym Q10 - zu den sog. Vitaminoiden (das heißt vitaminähnliche Verbindungen). Der Naturstoff ist ebenso ein Vitaminoid für Insekten (nämlich ein essentieller Wachstumsfaktor für Mehlwürmer, daher auch die lustige Bezeichnung "Mehlwurm-Faktor").

Andere Namen: Levocarnitin, Vitamin BT, Vitamin Br, Vitamin T, Torutilin, Termitin, (R)-(-)-3-Hydroxy-4-trimethyl-ammoniumbutyrat, 3-Carboxy-2-hydroxy-propyl-trimethylammonium-hydroxid;

engl. Bezeichnungen: levocarnitine; (2R)-3-Carboxy-2-hydroxy-N,N,N-trimethyl-1-propanaminium inner salt; (-)-b-hydroxy-g-trimethylaminobutyric acid

Summenformel: C7H15NO3

Strukturformel:    

Strukturformel von L-Carnitin (1722 Byte)

Molmasse: 161,20 g/mol

Tab.: Identifikationsnummern von L-Carnitin

CAS-Nr.: [541-15-1]
EG/EINECS-Nr.: 208-768-0
HS-Nr.: 2923 90 00
HN: 3640000
BRN: 4292315

L-Carnitin

Beschreibung, Eigenschaften

Bei L-Carnitin handelt es sich um ein weißes, sehr hygroskopisches (wasseranziehendes), kristallines Pulver mit einem schwachen Amingeruch und eigentümlich-süßlichem Geschmack. Der Stoff ist in Wasser und in heißem Ethanol leicht, dagegen in Aceton, Diethylether und in Benzol praktisch unlöslich (nach Merck Index). Der Schmelzpunkt liegt bei ca. 197 °C (Zers.).

Bedeutung

L-Carnitin ist zwar eine körpereigene Substanz und kann, wie oben bereits erwähnt, aus Aminosäuren aufgebaut werden. Der weitaus größte Anteil stammt allerdings aus der Zufuhr von Fleisch- und Milchprodukten in der Ernährung (Anm.: Aus Fleischextrakt wurde L-Carnitin im Jahre 1905 erstmalig isoliert, daher auch der Name von lat. caro, carnis = Fleisch).

Die Substanz vermag über einen speziellen Umwegmechanismus langkettige, aktivierte Fettsäuren in die Mitochondrien ("Kraftwerke" der Zellen) einzuschleusen. Fettsäuren sind von Natur aus ja relativ "reaktionsträge Gesellen". Führt man sie aber in Thioester über, so wird ihre Reaktionsfähigkeit beträchtlich erhöht. Die dazu notwendige Thiol-Gruppe liefert das im Stoffwechsel wichtige Coenzym A. Eine Acylgruppe, die sich am Schwefelatom des  Coenzyms A (CoA) befindet, wird auf die Hydroxylgruppe des L-Carnitin übertragen. Es entsteht so Acyl-Carnitin (sozusagen die Transportform der Fettsäuren), welches - im Gegensatz zu den langkettigen Fettsäuren selber - die innere Membran der Mitochondrien freiwillig durch Diffusion passieren kann:

Acyl-CoA + Carnitin -------> HS-CoA + Acyl-Carnitin

Danach, auf der Matrixseite der Membran, wird die Acylgrupppe wieder auf Coenzym A rückübertragen. Langkettige aktivierte Fettsäuren werden in den "Kraftwerken" zur Energiegewinnung (ATP) gebraucht. Man spricht von Fettsäure"verbrennung" oder b-Oxidation. Demzufolge ist bei einem Mangel von L-Carnitin dieser Vorgang, einer der bedeutendsten Energiequellen des Organismus, stark beeinträchtigt. Insbesondere das Herz bezieht seine Energie aus der Oxidation von langkettigen Fettsäuren!

Es versteht sich aufgrund des vorher Gesagten von selbst, daß eine ausreichende Versorgung mit L-Carnitin für all jene sehr wichtig ist, die einen erhöhten Energiebedarf aufweisen, wie z.B. schwangere Frauen und Sportler. Bei Personen, die aufgrund einer Krankheit (Herzschwäche, KHK, Diabetes) verringerte L-Carnitinkonzentrationen aufweisen, ist eine Zufuhr mit der Nahrung ebenfalls sehr sinnvoll.

Diskutiert wird weiterhin eine Anregung der Wanderung von Leukozyten (weißen Blutkörperchen) durch L-Carnitin.

Wünschenswerte Zufuhr

Da L-Carnitin in der täglich aufgenommenen Nahrung enthalten ist, ist die Festlegung einer empfohlenen täglichen Aufnahmemenge nicht ganz einfach. Ernährt man sich vorwiegend von pflanzlichen Nahrungsmitteln, so nimmt man nur geringe Mengen des Stoffes zu sich. Bei vegetarischer Ernährung, starker körperlicher Belastung, Herz-, Leber-, und Nierenerkrankungen sowie bei einem Mangel an Vitamin C, B6 oder Eisen können somit leicht L-Carnitinmangelzustände auftreten.

Demzufolge schwanken die in der Literatur angegebenen empfohlenen Tagesmengen für Erwachsene zwischen 0,25 und 4 g, für Kinder zwischen 50 mg und 3 g. Sofern die Ernährung auch Milchprodukte und Fleisch umfaßt, sollte die tägliche Zufuhr als Nahrungsergänzung für Erwachsene bis 1 g und für Kinder bis 0,25 g ausreichend sein. Zum Vergleich: 100 g Rindfleisch enthalten 80 mg Carnitin, 1 Liter Milch 10-20 mg (1 mg = 1 Tausendstel Gramm) des Stoffes. Handelsübliche Nahrungsergänzungsmittel enthalten pro abgeteilte Form 250 oder 500 mg L-Carnitin. 1000 mg oder 1 g entsprechen etwa einem gestrichenen Teelöffel voll Pulver. Die Einnahme einer Auflösung in Wasser ist gegenüber dem reinen Pulver geschmacklich vorzuziehen.

Lagerung

L-Carnitin ist dicht verschlossen, vor Licht und Feuchtigkeit geschützt aufzubewahren, empfohlen im Kühlschrank bei 4 °C.

Literaturhinweise:

BEILSTEIN E III 4, 1232

BREMER J., Review: Carnitine and its role in fatty acid metabolism, in Trends Biochem. Sci. 2, 207 (1977)

GRÖBER Uwe, L-Carnitin - nur ein "Mehlwurmfaktor"?, in: PTA heute 13. Jahrgang Nr. 6, Juni 1999, S.596ff (DAV, Stuttgart)

HAGERS Handbuch der pharmazeutischen Praxis 5. Aufl. Bd. 7, S. 713ff (Springer-Verlag)

HUNNIUS Pharmazeutisches Wörterbuch 7. Aufl., S. 290 (Walter de Gruyter, Berlin und New York 1993)

KARLSON Peter, Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler 12. Aufl., S.247 (Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1984)

LÜBECK Walter, L-Carnitin - ein Fitmacher ganz besonderer Art, 3. Aufl. (Windpferd, Aitrang 2000)

MERCK Index 14, 1849 (Merck & Co., Inc, Whitehouse Station, NJ, USA 2006)

STRYER Lubert, Biochemie/Biochemistry dt., S. 273 (Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1979)

TUBBS R./RAMSAY P., Dev. Bioenerg. Biomembr. 3, 279 (1979)

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Erstellt am 19.10.1999 * Letzte Änderung des Dokuments am 05.02.2007